Essen ist weder eine Religion, noch ein Dogma. Es ist Genuss und es ist individuell.
Jetzt muss ich Euch doch mal ein wenig von einem Erlebnis der letzten Tage erzählen, was mich zum heutigen Thema inspiriert hat.
Also dazu inspiriert hat, nachdem ich mich zunächst erst drüber geärgert habe.
Wir erinnern uns? Paleo ist eine Ernährung ohne Milchprodukte, während diese bei Ketogener Ernährung erlaubt, wenn auch nicht immer und für jeden empfohlen, sind. Nun ernähre ich mich zu 80% Paleo-Ketogen - und ja, ich habe kürzlich ein Paleo-Symposium besucht, wo natürlich auch Milchprodukte als nicht Paleokonform gelten.
Bei Facebook geriet ich aber mit einem Beitrag, das ich durchaus hin und wieder Käse und Sahne verwende, prompt in diese Diskussion und den Hinweis an mich: das ist nicht Paleo - und das wurde doch beim Symposium auch gesagt.
Ich hab mich deshalb darüber geärgert, weil genau diese Kommentare und Hinweise für mich sehr dogmatisch wirken. Bei einigen Menschen nimmt das geradezu religiöse Züge an. Dabei geht es um "natürliches Essen" UND natürliches Verhalten, was durchaus auch gelegentliche Vorlieben für bestimmte Lebensmittel - vorausgesetzt man verträgt sie natürlich - ebenso einschließt.
In der Primal-Variante von Paleo die vom Vorreiter der Ursprünglichen Ernährung Loren Cordain vertreten wird, sind Milchprodukte enthalten. Ebenso wie er die Auffassung vertritt, dass ein Einhalten von Ernährungsregeln völlig in Ordnung ist, wenn das zu etwa 80% erfolgt und der Rest von 20% dem menschlichen Bedürfnis nach Ausnahmen gewidmet ist.
Ebenso wie Milchprodukte werden von einigen Vertretern bestimmter Ernährungsformen auch Nachbauten verteufelt, für andere wiederum sind bestimmte Obstsorten absolut verboten.
Ich persönlich halte von derartigem Dogmatismus überhaupt nichts. Ich persönlich kann sehr gut mit der 80/20 Regel leben, die selbst ein Biohacker wie Dave Asprey für vertretbar hält. Für mich geht es um "natürliches Essen UND genießen" sowie auch um "natürliches Verhalten". Darunter verstehe ich auch, dass ich einem Bedürfnis für einen bestimmten Genuss ebenso nachgebe, wie einem saisonalen Angebot also z.B. bestimmte Obstsorten (natürlich in Maßen und nicht in Massen) nachgebe. Das haben auch unsere Vorfahren getan - und genauso, wie wir es auch tun sollten: nicht immer - aber hin und wieder.
Ich breche hier keine Lanze dafür, dass jemand einem Ernährungshype folgt und das dann Keto - Paleo oder sonst wie nennt, und dabei letztlich genauso weiter macht wie vorher, nur dass er seinen weniger hilfreichen Gewohnheiten mit konformen Lebensmitteln frönt. Jeden Tag Nachbau-Kuchen oder Milchprodukte oder größere Mengen Obst zu vertilgen, ist hier ausdrücklich nicht gemeint. Aber die Ausnahme schon.
Natürlich sind die Regeln der einzelnen Ernährungsformen wichtig und jeder der sich für eine bestimmte Ernährungsform entscheidet, sollte diese auch in aller Konsequenz mindestens 30 Tage ohne besagte Ausnahmen durchführen. Das hilft der Umstellung und führt i. d. R. auch zu einem Umdenken bezüglich dieser Ausnahmen. Ich selbst habe 6 Monate streng ketogen gelebt um eine vollständige Adaption zu erreichen. Adaption = nach Jahrzehntelangem verweilen im Zuckerstoffwechsel brauchte mein Körper eine Weile um sich an den Fettstoffwechsel zu gewöhnen und im Fettstoffwechsel wieder die volle Leistungsfähigkeit zu erreichen.
Aber heute, esse ich durchaus - übrigens auch Bulletproof konform - stärkehaltiges Gemüse wie Kürbis (wenn Saison ist) oder Kochbananen (wenn ich welche ergattern kann), Aprikosen wenn Saison ist - und wenn auch immer seltener werdend, Käse, Mascarpone, Sahne oder griechischen Joghurt. Glaubt mir, das wird von selbst mit der Zeit immer weniger, dazu braucht es keinen erhobenen Zeigefinger und keinen entsetzten Aufschrei "das ist aber nicht konform".
Und ich gönne mir auch hin und wieder mal einen Nachbau in Form eines zucker- und getreidefreien Kuchens oder eines Brot- bzw. Brötchens nach einem ketogenen oder Paleo-Rezept.
Interessanterweise habe ich auch festgestellt, dass es gerade auch die Anhänger von Dogmas auch zu einem großen Teil diejenigen sind, die jemandem wie mir, die im Idealgewichtbereich lebt, gerne und schnell eine Ess-Störung unterstellen, wenn ich mal wegen einer nicht ganz abgeklärten Gewichtszunahme (ja sowas hatte ich auch mal zwischendurch) nicht ganz so glücklich war. Auch hier besteht ein Dogma: wer nicht über seinem Normalgewicht liegt und ein Problem mit Gewichtsabnahme hat, ist gleich essgestört oder im Hungerstoffwechsel oder sonst was.
Ich sage an der Stelle: NEIN - ist er/sie nicht. Sich wohlfühlen ist individuell. Und das gilt auch für die Ausnahmeregelung beim Essen. 80/20 reichen - sofern man nicht zwingend aus gesundheitlichen Gründen bestimmte Regeln einhalten muss.
Also: lasst euch den Genuss und euer eigenes Körperempfinden nicht durch Dogmas verderben.